„Der Pioniergeist ist bei uns in den vergangenen zwei Jahren neu aufgeblüht.“
Dr. Martin Komischke, Präsident des Verwaltungsrates der HOERBIGER Holding AG, blickt sehr zufrieden auf das vergangene Geschäftsjahr zurück. Im Gespräch erläutert er, weshalb er überzeugt ist, dass das HOERBIGER Team trotz schwieriger Rahmenbedingungen auch in Zukunft das geplante profitable Wachstum fortsetzen kann.
HOERBIGER ist 2023 erneut profitabel gewachsen. Wie bewerten Sie das vergangene Geschäftsjahr?
Dr. Martin Komischke — Die Mitarbeitenden aller Geschäftsbereiche des Konzerns haben eine hervorragende Leistung erbracht – teilweise auch gegen schwierigste äußere Umstände. Das Jahresergebnis bewerte ich sowohl, was den Umsatz, als auch was die Profitabilität angeht, als äußerst zufriedenstellend. Besonders freut mich, dass HOERBIGER im Bereich Innovation zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat. Die Innovationen der vergangenen zwölf Monate sind sehr beeindruckend.
„Ich bin tief beeindruckt, mit welcher Motivation und Entschlossenheit das Team in den vergangenen zwei Jahren konzernübergreifend an neuen Opportunitäten gearbeitet hat.“
Das ist das dritte Wachstumsjahr in Folge. Können Sie für uns die Wachstumsstrategie von HOERBIGER noch einmal kurz zusammenfassen?
MK — HOERBIGER verfolgt das Ziel, die Nummer eins oder zwei in Nischenmärkten mit nachhaltigem Wachstumspotenzial zu sein. Unsere Stärke liegt darin, dass wir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entwicklungen erkennen und diese Chance in Form von Marktangeboten nutzen, indem wir Technologien – ob Produktions- oder Produkttechnologie – in performancebestimmende Produkte umsetzen, die unseren Kunden ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen.
Diese performancebestimmenden Produkte entwickeln und fertigen wir nahe am Kunden – wir nennen das „Local for local“. Was meinen wir damit? Wir produzieren dort, wo unsere Kunden sind. Und wir produzieren nicht nur lokal, sondern organisieren auch unsere Lieferketten lokal. Dadurch sind wir näher beim Kunden, flexibler, schneller und unabhängiger.
Der entscheidende Erfolgsfaktor – und deshalb auch unser großer Trumpf – ist aber, dass wir uns auf starke lokale Teams verlassen können. Das heißt, wir setzen auf Menschen, welche aus den jeweiligen Regionen stammen und dadurch das Besondere in diesem Markt berücksichtigen können. Nur ein lokal verankertes Team, das unternehmerisch denkt und eigenverantwortlich handelt, ist in der Lage, einen Markt zu beurteilen, um dessen Potenziale herauszukitzeln. Bei HOERBIGER gibt nicht der Konzern zentral vor, wie lokal gearbeitet werden soll. Bei uns entscheiden unsere Leute vor Ort, was zu tun ist.
Besonders gut gelungen ist uns das in China, wo wir unsere Präsenz im vergangenen Jahr stark ausgebaut haben. Die Erfahrungen, die wir in China gewonnen haben, wollen wir jetzt auch auf andere Länder in Asien und Lateinamerika übertragen, um das dortige Wachstum voranzutreiben.
Sie spielen auf das neue Werk in Changzhou an, das Ende 2023 eröffnet wurde. Können Sie uns etwas mehr dazu berichten?
MK — China ist einer der wichtigsten Auslandsmärkte für HOERBIGER. Wir sind Mitte der 1990er-Jahre nach China gegangen und sind sehr zufrieden mit dem dortigen Markt. Dank unseres lokalen Managements und der Mitarbeitenden vor Ort haben wir es geschafft, uns optimal auf die Marktverhältnisse und Kundenbedürfnisse einzustellen – obwohl das nicht immer einfach ist. Unser neues Werk in Changzhou, das in einer Rekordzeit von nur zwölf Monaten geplant und gebaut wurde, steht sinnbildlich dafür: Was das Team in enger Zusammenarbeit mit den chinesischen Behörden geleistet hat, ist außergewöhnlich.
Wir sind überzeugt, dass HOERBIGER in China weiterhin wachsen kann. Wir haben den Neubau genutzt, um weitere Rationalisierungs- und Effizienzsteigerungspotenziale zu realisieren. Das neue Werk ermöglicht uns auch, Aktivitäten, wie zum Beispiel das Servicegeschäft, verstärkt voranzutreiben und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Für die Business Unit Safety zum Beispiel sind wunderbare neue Märkte entstanden. Die langjährige Präsenz im chinesischen Markt und die Unterstützung der Division Compression helfen, diesen Markt jetzt für andere Konzernbereiche zu erschließen. HOERBIGER hat sich in der Zusammenarbeit über die Bereiche hinweg stark verbessert. Das sehen wir in China ganz deutlich.
Sie haben Innovation zur obersten Priorität erklärt, die konzernübergreifend entschlossen vorangetrieben werden soll. Welche Innovationsfelder sind derzeit besonders wichtig für den Konzern, und wie beurteilen Sie den Fortschritt in diesen Bereichen im vergangenen Jahr?
MK — Ich stelle mit großer Freude fest, dass das Thema Innovation bei HOERBIGER wieder stark gelebt wird. Das war in der Vergangenheit leider nicht immer so. Jetzt haben wir den Anschluss aber wieder gefunden, und ich bin tief beeindruckt, mit welcher Motivation und Entschlossenheit das Team in den vergangenen zwei Jahren konzernübergreifend an neuen Opportunitäten gearbeitet hat. Unsere Innovationsprojekte sind der wichtigste Treiber der Transformation sowie des profitablen Wachstums von HOERBIGER. Deshalb haben sie auch 2024 für uns oberste Priorität.
Der HOERBIGER Konzern setzt bei seinen Innovationsaktivitäten auf Megatrends wie die Emissionsreduzierung, Nachhaltigkeit, E-Mobilität oder Sicherheit. Eine Schlüsseltechnologie ist dabei der Wasserstoff, der beinahe von allen Geschäftsbereichen mit Neuentwicklungen adressiert wird. In der Automobiltechnik arbeiten wir zudem mit Hochdruck an neuen Produkten in den Bereichen Batterietechnik und Schaltsysteme für elektrische Antriebe. Und wir arbeiten an ganz neuen Anwendungsbereichen für globale Wachstumsmärkte, wie zum Beispiel die Halbleiterindustrie, die Papierverarbeitungs- und Windkraftindustrie oder die Medizintechnik.
Das klingt nach sehr vielen Themen und Anwendungsfeldern. Besteht nicht auch die Gefahr, dass man sich verzettelt?
MK — Diese Gefahr gibt es immer. Die Kunst besteht darin, das Richtige richtig zu machen. Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen: bekannte und bewährte Produkte durch Innovation und den Einsatz von neuen Technologien weiterzuentwickeln und dadurch neue Anwendungsmöglichkeiten aufzutun oder neue Märkte zu erschließen. Und wir müssen auch den Mut haben, Nein zu sagen. Unsere Managementfähigkeit muss auch darin bestehen, etwas bewusst nicht zu tun. Darin sind wir aber meiner Meinung nach schon sehr gut geworden.
„Wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen: bekannte und bewährte Lösungen durch Innovation und den Einsatz von neuen Technologien weiterzuentwickeln und dadurch neue Anwendungsmöglichkeiten aufzutun oder neue Märkte zu erschließen.“
Welche Rolle spielt dabei der Verwaltungsrat?
MK — Eine wichtige Rolle, denn bei so vielen Opportunitäten besteht die Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Rolf Najork und Rainer Schulz, die im Juli 2022 in den Verwaltungsrat berufen wurden, haben einen fliegenden Start hingelegt und ergänzen die bewährten VR-Mitglieder ideal. Damit verfügt HOERBIGER jetzt über einen Verwaltungsrat, der von den Erfahrungshintergründen her sehr gut abgestützt ist und sowohl über ein breites Technologiewissen verfügt als auch in der Lage ist, in den relevanten Gebieten in die Tiefe zu gehen. Und das muss auch unser Anspruch sein. Wir sehen uns nicht als Kontrollgremium der klassischen Art, sondern als eine Art Managementgremium, das auch seinen Beitrag zur Entwicklung des Konzerns leistet. Und das, würde ich sagen, ist uns im vergangenen Jahr gelungen.
Und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der Konzernleitung?
MK — Die Konzernleitung hat eine außerordentliche Leistung vollbracht. Ich empfinde die Zusammenarbeit als so gut wie noch nie. Die Konzernleitung überzeugt durch ihre professionelle Arbeit und eine außergewöhnlich positive und konstruktive Arbeitsatmosphäre. Jedes Mitglied setzt sich für seinen Bereich ein, entscheidet aber am Schluss im Sinne des Gesamtkonzerns. Dieses Miteinander – auch in der Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat und dem erweiterten Führungsteam – erfüllt mich mit Stolz, denn es ist die ideale Grundlage, um HOERBIGER langfristig weiterzubringen.
Dr. Martin Komischke im Gespräch mit Dr. Bernhard Spiegl, Head of Innovation & Technology (CTO), am HOERBIGER Wasserstoffprüfstand in Wien.
Gibt es Ihrer Meinung nach neue Technologien, die für HOERBIGER in Zukunft von Interesse sein könnten?
MK — HOERBIGER kommt ursprünglich aus dem klassischen, mehr oder weniger mechanischen Bereich: Kompressoren, Getriebe, Hydraulik, Pneumatik. Das ist alles Mechanik. In den Zukunftsthemen müssen wir diese Expertise, die wir uns über 129 Jahre aufgebaut haben, mit neuen Themen wie zum Beispiel Sensorik, Elektronik und softwarebasierte Steuerungstechnik kombinieren. Natürlich haben wir über die Jahre sowohl Elektronik- als auch Softwarekompetenz aufgebaut. Daraus entstandene Produkte, wie zum Beispiel die HydroCOM oder der digitale Ersatzteil- und Performance-Assistent VISTRA, wurden vom Markt sehr gut aufgenommen. Deshalb müssen wir unser Know-how in der Elektronik, der Steuerungs-, Regelungs- und Messtechnik als Konzern bereichsübergreifend gezielt ausbauen, damit wir sowohl die Kompetenz als auch die Kapazität für zukünftige Anwendungen haben.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die kommenden 12 bis 18 Monate ein, und welchen Einfluss wird dies Ihrer Meinung nach auf das Geschäft von HOERBIGER haben?
MK — Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben schwierig – oder werden vielleicht sogar schwieriger. Es herrscht Unruhe und Instabilität auf der ganzen Welt. Das wird auch weiterhin starke Auswirkungen auf die Rohstoff-, Energie- und Finanzmärkte haben. Die konsumnahen Werkzeugmaschinenbauer stehen erst am Anfang einer ganzen Kette von Problemen. Und die Halbleiterindustrie, die für HOERBIGER mittlerweile sehr wichtig ist, soll erst Ende des Jahres wieder Schwung aufnehmen. Es kommen also harte Zeiten auf uns zu.
Wenn ich aber auf das vergangene Geschäftsjahr zurückblicke, in dem wir ja auch schon mit schwierigen Umständen zu kämpfen hatten, mache ich mir um HOERBIGER keine Sorgen. Die Fortschritte, die wir als Organisation in den Bereichen Leadership, Kostenmanagement und Operational Excellence gemacht haben, unsere Kundennähe und das starke Bestandsgeschäft, die vielen Wachstums- und Innovationsprojekte und vor allem die starke innere Einstellung des Teams machen mir Mut, dass wir unsere Wachstumsphase planmäßig fortsetzen können.
Eine kurze Frage zum Schluss: Welcher HOERBIGER Unternehmenswert ist für Sie persönlich am wichtigsten?
MK — Das ist für mich klar: der Pioniergeist, der bei uns in den vergangenen zwei Jahren neu aufgeblüht ist. Auf Basis dieser Stärke können wir einen Kundennutzen bieten, der auch zählt, wenn wir Gegenwind haben.